Komplizierte Verhältnisse
ein Text von Heribert Prantl
zitiert nach Der andere Advent, 2015
Jungfrauengeburt meint etwas ganz anderes, nichts Biologisches, sondern etwas Geistliches. Die Wahrheit über diese Jungfräulichkeit findet man nicht bei einer gynäkologischen Untersuchung. Die Evangelisten, die über die Jungfrauengeburt schreiben sind Theologen, keine Sexologen. Sie sprechen nicht von der menschlichen Fortpflanzung, sondern vom Fortschritt des Menschlichen. Die Jungfrauengeburt ist eine Chiffre für die emanzipatorische Idee, sie ist ein Freiheitsbegriff. Die Sprache der Bibel und des Credos ist hier eine mythische, keine historische oder naturwissenschaftliche.
„Jungfrauengeburt“ soll besagen, dass etwas ganz Neues zur Welt kommt, das nicht männlicher Macht entspringt. Die Weihnachtsgeschichte beginnt mit dem Abschied vom Patriarchat. Das Neue kommt ohne Zutun männlicher Potenz zur Welt – durch dir Macht des Geistes. „Geist“ ist in der hebräischen Bibel feminin, eine Die, eine schöpferische, weibliche, pfingstliche Kraft: Sie reformiert, revolutioniert, sie macht neu. Daher heißt es Magnifikat, im Lobgesang Marias: „Gott stürzt die Mächtigen vom Thron“.
Die Legende von der Jungfrauengeburt legt also die Axt ans Stammbaum-Denken und die klassischen Machtstrukturen. Die Geschichte, dass alles vorbestimmt ist durch die Abstammung und dass es nur einen Vater geben kann, ist zu Ende. Die Weihnachtsgeschichte ist also auch eine tröstliche Geschichte für all die Menschen, die in komplizierten Familienstrukturen leben. Schon für das Kind in der Krippe sind die Verhältnisse kompliziert.
Heribert Prantl
Euch allen wünsche ich fröhliche Weihnachten, entspannte Feiertage und auch jetzt schon einen guten Rutsch in ein großartiges neues Jahr! Habt es schön, genießt euch und seid offen für Wunder.
Danke, dass Ihr mich in diesem Jahr begleitet und inspiriert habt!
Martina
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